Drei mal nicht belohnt - Was raucht da in Eimsbüttel?

immer noch hochmotiviert: Perlen
immer noch hochmotiviert: Perlen

Ich nähere mich einer kleinen Bretterbude in der Mitte von Eimsbüttel. Rauch steigt auf, es wird warm. Ist das eine rote Laterne die da brennt? Nein. Ist es der Baum der brennt? Auch nicht, denn welcher Baum sollte denn schon brennen. Brennt es in Eimsbüttel nach 4 Sieglosen spielen schon lichterloh? Vielleicht.

Um das herauszufinden bin ich heute hier. Man hört ein leichtes Hämmern und Grummeln.  Ich suche zunächst Schutz in einem Gebüsch und beobachte die Hütte eine Weile. Ich sehe Perlen ein und ausgehen. Das ist sie. Das muss die Taktikschmiede der Alsterperlen sein. Ich nähere mich. Vor der Tür halte ich inne. Sollte ich mich einem Trainer nähern, der seit 4 spielen nicht mehr gewonnen hat? Klar, denk ich, in sicherer Gewissheit, dass ich in Hamburg bin, in der Stadt in der die Trainer eher von ruhigerem Gemüt sind und regelmäßig ausgetauscht werden, Durchhalteparolen aufsagen und trotzdem gegen die Blutleere ihrer Teams wenig ausrichten können. Der kann mir nicht gefährlich werden. Ich trete also ein.

Als ich über die Schwelle steige stolpere ich über Bälle, kaputte Fußballschuhe und Hütchen. Ja, hier arbeitet ein Hütchenaufsteller, keine Frage. Rechts an der Wand hängen ein paar Messer, 24 Stück, mit Auslassungen für Zähne. Was soll das, denke ich mir noch während ich mich etwas ducken muss , damit ich nicht gegen die Säbel stoße, die von der Decke hängen. Vergebens. Die Säbel rasseln. Mit einem leichten "Halloo?" versuche ich eine Person ausfindig zu machen. Niemand meldet sich. Ich folge der Wärme die den Raum erfüllt. Ich höre ein Knistern. Auch ihm folge ich. Plötzlich taucht durch das Rot des Ofens in der Ecke des Raumes, in dem die Hitze am größten, ja fast unerträglich wird, jemand auf. Er ist leicht in den Ofen gebeugt. Ist das schon Thomas Tuchel, der bei jeder kleineren Negativserie eines Vereins direkt als Nachfolger gehandelt wird? Oder Felix Magath, der zum Warmmachen seine Spieler und Spielerinnen erst mal durch den Ofen schickt? Wohl kaum. Die Gestalt ist größer als Felix Magath und etwas breiter als Tuchel.

Ich drücke mich an der Wand entlang und versuche einen Blick auf das zu richten, was dieser Jemand tut. Vor ihm sehe ich Flammen, klar soweit, wir sind ja in einer Schmiede. Doch aus dem Feuer sehe ich eine Taktiktafel ragen, auf der kleine, in rot und blau glühende Magnete hin und her geschoben werden werden. Im Schutze des Schattens robbe ich mich weiter. Plötzlich ein Scheppern. Mein kleiner Zeh signalisiert mir, dass ich das Scheppern hervorgerufen habe. Verdammt, da hat wohl jemand ein Hütchen genau an der Wand aufstellt. Das kann er wohl gut. Die Gestalt am Ofen fährt sich langsam herum. Irgendwas in seinem Blick verrät mir, dass sie nicht erst seit dem Scheppern weiß, dass ich hier bin. "Es ist wichtig, dass ich auch ohne sie zu sehen weiß, wo sich meine Mit- und Gegenspieler auf dem Feld befinden" raunt die Gestalt mir zu. In trete in den Lichtkegel des Ofens und kann so in das Gesicht blicken. Es ist tatsächlich noch der COACH. Etwas krummer als bei meinem letzten Besuch steht er da. Tiefe Falten haben sich in seine Stirn gegraben. Aber aus seinen Augen blitzt noch der gleiche Stolz auf sein Team, den ich zuletzt immer wieder wahrgenommen habe.

"Ja Moin" sage ich, und setzte eine freundliche Miene auf. "Watt is´?" schallt es mir entgegen. "Ich wollt mal fragen, wie es so läuft" versuche ich das Gespräch in Gang zu bringen. "Naja, es muss" kommt es mir nicht auffällig freundlicher entgegen. "Selbst wenn du absolut nicht lesen könntest, würdest du doch allein durch den Abstand des blau-gelben Wappens und der obersten gezeichneten Linie an unserer Tabelle erkennen, dass wir schon bessere Tage hatten". Klar, denke ich mir, deswegen bin ich ja hier. Ok, dann ein neuer Versuch. "Ja ´tschuldigung. Die hab ich natürlich gelesen. Letztes Jahr lief es ja deutlich besser um die Zeit" sage ich und merke, dass auch das ein falscher Ansatz war. Der Raum wird wärmer, die Röte nimmt zu. Ich drehe mich am Coach vorbei um eine nun verhältnismäßig kühle Brise vom Ofen abzubekommen. Der Coach kocht: "Das ist mir völlig wurscht. Wir sind jetzt in der FSK Staffel stark und das zählt. " Ich überlege wie ich die Situation retten kann, aber es ist wohl zu spät. "Was wollen Se´ jetzt von mir? Watt wollen se´ jetzt– also – so kurz nach dem Spiel? Das kann ich nicht verstehen!". "Ich wollte doch nur... " stottere ich, doch die Temperatur steigt weiter. Ich schwitze. "Glauben Sie jetzt – äh – in der Staffel stark ist irgendwie ne Karnevalstruppe oder was? Sie haben das hier uns richtig schwer gemacht über jeweils 80 Minuten und wir haben gekämpft bis zum Ende." Er wirkt nicht sauer. "Wir sind eben kein großer Verein und wir haben keinen großen Trainer-  bzw. Betreuerstab. Wir können auch nicht mal eben aus der ersten oder zweiten Mannschaft ein paar Spielerinnen hoch- oder runterziehen. Aber das ist auch nicht das Problem. Für die Verhältnisse, aus denen wir kommen, spielen wir Bombe". Langsam beruhigt er sich. "Ich will jetzt nicht sagen, dass wir die Spiele unglücklich verloren haben, die anderen waren ja meist 1-2 Tore besser, aber es hätte auch jeweils für uns ausgehen können. Dafür, dass wir uns mit den besten FSK-Teams in Hamburg messen dürfen, spielen wir großartig mit. Vor fünf sechs Jahren haben wir gegen "normale" Teams größere Probleme gehabt und jetzt spielen wir auf Augenhöhe mit den 11 besten Frauen Teams in der SK. Das ist ein Erfolg, den die Tabelle nicht wiedergibt". "Das klingt doch nach den für Hamburg typischen Durchhalteparolen..." und während ich das sage, beiße ich mir auf die Zunge, dass mir die Tränen in die Augen schießen. Das war wohl nicht meine beste Idee. Ich haue mir mit meiner rechten Hand vor die Stirn. Ich rutsche schweißnass ab und haue vorbei. "Alter..." fährt er fort, aber weniger laut als befürchtet, "wir haben es geschafft ein Team aus Spielerinnen zu formen das absolut konkurrenzfähig ist, mit einem Konzept, was so wohl seinesgleichen sucht. Spielerinnen, 20 Jahre mit gefühlten 15 Jahren Fussballerfahrung spielen mit Ü45 Spielerinnen mit 4 Jahren Fussballerfahrung. Wir haben daraus ein absolut großartiges Team geformt und einen einzigartigen "Perlenspirit" kreiert. Und das wir mit diesem Team gegen die "Gecasteten" Teams in der Staffel mithalten können, ist aller Achtung wert". Alles klar, der Mann ist von seinem Team überzeugt, und auch wenn die Ergebnisse dies noch nicht zeigen, so haben doch die Zuschauer immer eine Garantie, dass sie sich großartige Frauenfussballspiele ansehen können. Kampf und Leidenschaft sind die Maxinen an denen sich die Perlen messen. "Aber ist es nicht zu riskant mitten in so einer Situation die Taktik zu ändern" frage ich vorsichtig. "Nein, also nicht zu sehr riskant, kalkuliertes Risiko würde ich sagen. Man merkt eine deutliche Veränderung in unserem Spiel. Natürlich ist ein gewisses Risiko dabei und es muss sich auch erst festigen, aber es lohnt sich, das haben wir in den letzten Spielen gemerkt. Es ist ja nicht so, dass wir chancenlos sind, sondern uns fehlt eben zum Teil ein bißchen die Spritzigkeit und das Glück und dann kommt meistens, um die Phrase einmal zu bemühen, auch noch ein bißchen Pech dazu". So wir er das sagt, glaube ich ihm das sofort. "Was ist euer Ziel für den Rest der Saison?" frage ich. "Unser Ziel ist es soviel wie möglich Tore zu schießen, soviele Punkte wie möglich mitzunehmen, sowenig Tore wie möglich zuzulassen und uns stetig weiterzuentwickeln. Daran werden wir beharrlich weiterarbeiten", sagte er und verschiebt kaum merklich einen Magneten auf der glühenden Taktiktafel. "Machen sie sich keine Gedanken um ihren Job, es wurden schon Trainer unter ganz anderen Umständen entlassen", frage ich und ziehe den Kopf ob der Brisanz meiner Frage etwas zwischen die Schultern. "Nein, wir bleiben ruhig. Ich habe noch keine Signale aus der Vereinsführung erhalten und da ich Manager und Trainer in einem bin, könnte ich mich vorerst nur selbst entlassen. Auch da hat mein Manager-Ich mein Trainer-Ich regelmäßig sein Vertrauen ausgesprochen. So lange ich das Gefühl habe, das Team noch zu erreichen und das Team mitzieht, bleibe ich auch hier und werde weiter hart für unsere Ziele arbeiten". "Was haben wir am Sonntag gegen den HSV (10:30 Uhr in Norderstedt d. Red.) zu erwarten?" versuche ich etwas nachzubohren. "Mit Sicherheit werden die Perlen wieder top motiviert in das Spiel gehen. Wir werden noch mehr versuchen unser Glück zu erzwingen. Gegen den HSV kann man auch mal gewinnen, obwohl die Damen dort sicherlich mehr kämpfen werden, als die Bundesligamannschaft", und wieder verrückt er einen Magneten. Ich merke, dass ich ihn aufhalte. Er schielt immerzu in die Flammen, die sich in seiner großen Brille spiegeln. Mit einem leisen "Danke für die Zeit und viel Glück gegen den HSV" ziehe ich mich langsam aus dem Lichtkegel zurück.

Als ich wieder vor die Tür trete, sauge ich die frische Aprilluft in meine Lungen. Nein, das war kein Gespräch mit dem Trainer eines Teams, das keine Kohlen mehr im Feuer hat, denke ich mir. Während ich mich, schmunzelnd über dieses eigenartige und schlechte Wortspiel von der Hütte entferne steigt in mir die Vorfreude auf das nächste Perlenspiel. Er hat recht, die Perlen leben von ihrem Spirit, die Perlen können Fußballspielen, die Perlen können kämpfen, und das zählt. Klar gibt es Teams, gegen die sie sich schwer tun, aber aufgeben werden sie nicht. Während ich das denke merke ich einen Windstoß. War wohl eine Perle, die an mir vorbeigerauscht ist. Als ich weiter gehe, steigt wieder Rauch auf. Man hört das Scheppern von Metall, das auf Metall schlägt und das Schleifen einer Klinge. Ist es die Klinge, die die Perlen am Sonntag zwischen die Zähne nehmen oder nur Säbelrasseln? Ich drehe mich noch einmal zurück und irgendwie liegt Stolz und Zuversicht in der Luft.

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